Warum ausgerechnet Motorradfahren?
Während der ersten Chemo im Frühjahr 2023 dachte ich, dass ich angesichts der ohnehin Tod bringenden Krebserkrankung auch wieder ein gefährliches Hobby wie das Motorradfahren ausüben könnte. Zunächst dachte ich an E-Motorräder, doch musste ich schnell feststellen, dass das Angebot noch nicht groß genug ist. Da müssen wir wohl noch mindestens zwei Jahre warten, bis ich eine gute Auswahl und vor allem Reichweiten von mehr als 100 Kilometer bekomme.
Also schaute ich mir klassische Verbrenner-Motorräder an und stellte fest, dass es viele Möglichkeiten gibt, sich für ein paar Tage ein modernes Motorrad zu leihen. Meist nicht ganz billig, aber jegliches Modell, nach dem dir ist.
Ich startete mit der Ausstattung und kaufte Hose, Jacke, Helm. Schon das machte Spaß!
Ich wartete, bis die erste Chemophase das Motorradfahren erlaubte. Und dann ging es los, und ich war schnell addicted.









In der Galerie habe ich alle neun Motorräder aufgelistet, die ich seitdem gefahren bin. Nach sechs sehr verschiedenen Modellen mit ganz unterschiedlichem Charakter wollte ich nicht mehr leihen, sondern besitzen. Ich wollte ein Motorrad bei mir in der Tiefgarage haben, um beim ersten Sonnenstrahl sofort losfahren zu können. Das war die Africa Twin. Hochbeinige Enduro mit über 100 PS. Wir sind gemeinsam rund 5000 Kilometer gefahren. Es fühlte sich fantastisch an. Cool, männlich, frei.
Und wir waren gemeinsam an der Riviera dei Fiori in Ligurien. Träumchen!
Das Interessante: Jeder und jede war auf seine/ihre Weise begeistert von meiner neuen Passion. “Genau richtig!”, hörte ich oft als Reaktion auf mein Motorradfahren. Obwohl es ja eigentlich umweltpolitisch dumm und kontraproduktiv ist.
Was reizt mich denn selbst am Motorradfahren? Als Effekt merke ich in jedem Fall, dass ich immer lächeln muss, wenn ich durch die Stadt oder übers Land fahre. Wenn ich beschleunige, wenn ich Kurven fahre, wenn ich mit meiner Musik auf den Ohren den Wind auf meinem Gesicht spüre. Es versüßt mir den Augenblick. Und das ist sicherlich das, was die Reaktion der anderen triggert: Ich bin so schwer krank, dass ich solche kleine Fluchten ins Glück nicht nur machen darf, sondern sogar soll.
Und vor allem Touren mit Sozius oder Sozia haben ihren besonderen Reiz. So wie mit der Triumph Scrampler, auf der ich mit meinem Vater zum Matjesessen nach Glückstadt gefahren bin.
Ich plante dann im Frühling 2024 eine Tour in die Region von La Spezia zu meinem Freund Jörg-Peter. Vor Ort wollte ich mir ein Motorrad leihen. Da kam mir der Gedanke, kein Motorrad, sondern eher einen großvolumigen Scooter zu leihen, um damit übers Land durch die malerischen italienischen Dörfer der Toskana zu fahren. Der Gedanke gefiel mir.
Müsste ich dafür nicht mal solch einen Scooter Probe fahren? Ich saß noch nie auf solch einem Modell. Also machte ich nach kurzer Recherche einen Termin bei BMW, um einen C400 GT oder X mal für ein paar Stunden zu testen.
Und was soll ich sagen: Im Vergleich zur Africa Twin fühlte sich das Fahren kompakt und einfach an. Unterbrechungsfreier Anzug, viele Ablagemöglichkeiten für die Füße, weil sie weder Bremse noch Kupplung bedienen müssen, tiefer Schwerpunkt und dadurch einfaches Handling. Plötzlich kam mir meine geliebte Africa Twin anstrengend und kompliziert vor. Und auch ein wenig gewollt, ein Poser-Bike, halt auch martialisch und männlich. Auf den Scooter steigst du auf und braust los. Die Africa Twin ist ein ausgewachsenes Motorrad, das du mit Nierengurt, Integralhelm und Lederkombi besteigst. Der Scooter ist eher für den täglichen Gebrauch: keyless, unkompliziert, sympathisch, praktisch und dennoch reizvoll. Kurz: Ich hatte Blut geleckt.
Das sagte ich auch der BMW-Verkäuferin: “Sie bekommen mich durch Einfachheit. Wenn Sie meine Honda hier in Zahlung nehmen, könnten wir schnell ins Geschäft kommen.” Denn sie hatte dort mit einer C400 GT genau mein Modell zum Verkauf stehen. Es ging tatsächlich sehr schnell: Vormittags Probefahrt, nachmittags brachte ich den Fahrzeugbrief der Honda und wir einigten uns auf eine Differenzsumme. Denn natürlich war die Honda mehr wert als die BMW. Aber ich bekam einen sehr guten Preis, den ich auch bei einem Privatverkauf nur unwesentlich hätte optimieren können – mit dem Unterschied, dass ich inserieren, selbst Probefahrten organisieren und verhandeln hätte müssen. So war es einfach und unkompliziert. Sogar mein Honda-Wunschkennzeichen HH-BW 293 haben sie mit der Anmeldung übernommen.
Ich bin mit dem Scooter total happy und habe schon viele kleine Touren durch die Stadt oder zu meiner Schwester Imke nach Dänemark unternommen. Einfach klasse!
Ironie: In Italien bin ich nach wie vor noch keinen Scooter gefahren. Denn auch, wenn das der Ausgangspunkt des Modellwechsels war, hat es sich noch nicht ergeben. Die Reise zu Jörg-Peter fand ohne Scooter statt, auch weil ich gerade von zwei Wochen Krankenhaus zurück war und daher auch körperlich zu angeschlagen für solche Anstrengungen. Aber das kommt bald, spätestens Ende August, wenn ich in Nizza einen Scooter leihe, um ein paar Tage nach Bussana Vecchia und Avignon zu reisen.